BVG-Reform 2024: Diese Schlagwörter prägen die Diskussion
Am 22. September 2024 stimmt die Schweiz über die Reform der beruflichen Vorsorge ab. Diese hatten National- und Ständerat nach der Annahme der AHV-Reform 21 beschlossen. Denn aufgrund der steigenden Lebenserwartung und tieferen Anlagerenditen stehen die Schweizer Vorsorgeeinrichtungen zunehmend unter Druck. Die Kernelemente der Reform bilden eine Senkung des Mindestumwandlungssatzes im BVG-Obligatorium, eine Reduktion des Koordinationsabzugs, eine tiefere BVG-Eintrittsschwelle, eine Vereinfachung der Altersgutschriften sowie Kompensationsmassnahmen für die Übergangsgenerationen.
Eine detaillierte Ausführung der geplanten Massnahmen liefert das Bundesamt für Sozialversicherungen BSV
Um im Dickicht der versicherungstechnischen Kennzahlen den Durchblick zu bewahren, gehen wir im Folgenden auf die zentralen Begriffe näher ein – von A wie Altersguthaben bis Ü wie Übergangsgeneration.
Altersgutschriften
Die Altersgutschriften bezeichnen den Betrag, den eine berufstätige Person pro Jahr gemeinsam mit ihrem Arbeitgeber in die Pensionskasse einzahlt. Die Höhe der Altersgutschriften werden in Prozent des koordinierten Jahreslohnes – also dem obligatorisch versicherten Teil – festgelegt. Es gibt dazu ein gesetzliches Minimum, Arbeitgeber und -nehmer können jedoch auch mehr einzahlen.
Wie viel Geld eine einzelne Person monatlich in der 2. Säule für ihr Altersguthaben spart, hängt von der Lohnhöhe, ihrer Pensionskasse und auch ihrem Alter ab. Denn mit höherem Alter steigen die gesetzlich festgelegten Mindestbeiträge für Arbeitgeber und -nehmenden an.
Während Arbeitgeber bislang für eine 35-jährige Person 10 Prozent ihres koordinierten Lohnes in ihre Pensionskasse einzahlen, müssen für eine über 55-jährige Person über 18 Prozent entrichtet werden. Damit steigen für Unternehmen die Personalkosten von älteren Mitarbeitenden und die Gefahr, dass ältere Personen auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert werden.
Künftig soll eine «flachere Staffelung» der Altersgutschriften für einen Ausgleich sorgen, indem der Prozentsatz für 25 – 34-Jährige leicht erhöht und für die anderen Altersgruppen leicht gesenkt wird (siehe Grafik unten / Quelle: BSV).
Eintrittsschwelle
Arbeitnehmende sind in der beruflichen Vorsorge obligatorisch versichert, wenn sie bei einem Arbeitgeber mindestens 22‘050 Franken pro Jahr verdienen. Dieser Mindestlohn bezeichnet die Eintrittsschwelle für die berufliche Vorsorge. Wer weniger verdient, ist nicht in der zweiten Säule versichert. Davon sind überdurchschnittlich viele Frauen betroffen, da sie öfter in Teilzeit bei verschiedenen Arbeitgebern oder in Niedriglohnbranchen arbeiten.
Durch die Reform wird die BVG-Eintrittsschwelle auf 19‘845 Franken gesenkt. So haben nach Schätzung des Bundes rund 70‘000 Personen zusätzlich Zugang zur zweiten Säule.
Kritiker der Reform geben an, dass dadurch Frauen noch nicht zu einer höheren Rente verholfen würde, da ihre Nachteile durch Erwerbsunterbrüche wegen unbezahlter Arbeit nicht ausgeglichen würden.
Koordinationsabzug
In der zweiten Säule ist nicht der gesamte Lohn versichert, sondern der Betrag, der nach Abzug des Koordinatiosabzugs von 25‘725 Franken (2024) übrigbleibt. Der Koordinationsabzug ist unabhängig von Lohn und Pensum und wirkt sich besonders stark auf Angestellte mit geringem Einkommen und/oder mit mehreren Arbeitgebern aus. Wer beispielsweise in Teilzeit arbeitet und pro Jahr brutto 40‘000 Franken verdient, verfügt über einen versicherten Lohn in der Pensionskasse von 14‘275 Franken. Entsprechend kann diese Person wenig ansparen und wird eine tiefe Rente aus der zweiten Säule erhalten.
Die Reform definiert den Koordinationsabzug neu auf 20 Prozent des Lohns (im Maximum 17‘640 Franken), womit künftig immer 80 Prozent des Lohns versichert werden. So wären gerade bei tieferen Einkommen deutlich grössere Teile des Lohns versichert und die spätere Rente höher.
Gegner der Reform kritiseren, dass durch die höheren Sparbeiträge respektive Abgaben – bedingt durch die Anpassung der Altersgutschriften und der Senkung des Koordinationsabzuges – Personen mit bereits tiefen Löhnen noch tiefere Nettolöhne erhalten.
Obligatorische und überobligatorische Sparbeiträge
Wer zwischen 22‘050 und 88‘200 Franken pro Jahr verdient (mit Reform zwischen 19‘845 und 88‘200 Franken), ist gesetzlich verpflichtend in der beruflichen Vorsorge versichert. Diese Abgaben entsprechen dem BVG-Obligatorium. Löhne unter dieser Eintrittsschwelle sind gesetzlich nicht versichert, Löhne über dem Grenzbetrag von 88‘200 Franken pro Jahr ebenfalls nicht. Der überobligatorische Teil der beruflichen Vorsorge kann die beiden Lücken abdecken.
Umwandlungssatz
Der Umwandlungssatz bestimmt die Höhe der ausbezahlten Rente aus der zweiten Säule. Er definiert, wie viel Prozent des angesparten Vermögens pro 100‘000 Franken und Jahr, den Versicherten nach der Pensionierung als Rente ausbezahlt werden. Der Mindestumwandlungssatz ist gesetzlich festgelegt und beträgt aktuell im obligatorischen Teil 6,8 Prozent.
Die Reform möchte den Umwandlungssatz für obligatorisch versicherte Beiträge auf 6 Prozent senken. Bei einem Altersguthaben von beispielsweise 100‘000 Franken werden somit nicht mehr 6‘800 Franken, sondern nur noch 6‘000 Franken Rente pro Jahr ausbezahlt.
Gemäss dem Bundesrat ist diese Anpassung vor allem aus zwei Gründen nötig: Einerseits führte die schwächere Marktentwicklung zu tieferen Erträgen auf dem angelegten Kapital der Pensionskassen, und durch die steigende Lebenserwartung beziehen mehr Menschen über einen längeren Zeitraum eine Rente. Deshalb sind die Renten im obligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge nicht mehr ausreichend finanziert.
Gemäss Bundesamt für Sozialversicherungen sind über zwei Drittel der Arbeitnehmenden überobligatorisch versichert. Im überobligatorischen Teil gilt der gesetzliche Mindestumwandlungssatz nicht, deshalb betrifft die Reform die überobligatorisch versicherten Sparbeiträge nicht. Die meisten Pensionskassen wenden für den überobligatorischen Teil bereits heute tiefere Umwandlungssätze an.
Um die Senkung der Renten zu verhindern, sieht die Reform Ausgleichsmassnahmen wie Rentenzuschüsse für die Übergangsgeneration und die Erhöhung des versicherten Lohns durch die Anpassung des Koordinationsabzuges vor.
Übergangsgeneration
Ein tieferer Umwandlungssatz führt dazu, dass aus dem obligatorisch versicherten Teil des Altersguthabens tiefere Renten ausbezahlt werden. Diese Senkung soll durch den höheren versicherten Lohn und somit höheren Sparbeiträgen kompensiert werden.
Wer nun aber in den 15 Jahren nach dem Inkrafttreten der Reform pensioniert wird, profitiert noch nicht in vollem Umfang von den erhöhten Sparbeiträgen und erhält eine tiefere Rente. Diese Übergangsgenerationen sollen abhängig von ihrem Geburtsjahr und ihrem Altersguthaben einen Rentenzuschlag bekommen.
Gegner der Reform kritisieren, die Zuschläge seien nicht ausreichend und/oder erzeugen einen grossen administrativen Mehraufwand seitens der Verwaltung.