Nur eine Scheinlösung? Das neue Unfallversicherungsgesetz für Sportvereine
Zurück zur ÜbersichtSelbst kleinere Breitensportvereine müssen für ihre bezahlten Trainer:innen und Spieler:innen eine Unfallversicherung abschliessen. Die Suche nach einem Versicherer gestaltet sich für die Vereine jedoch oftmals schwierig und die Kosten sind horrend. Daran dürfte auch das neue Gesetz vom Bundesrat nichts ändern.
Der Fussballtrainer eines lokalen Drittligavereins macht bei einer Übungseinheit mit. Dann passiert es: Bei einem Zweikampf knickt er unglücklich um und zieht sich einen Bänderriss am Sprunggelenk zu. Er fällt für mehrere Wochen als Trainer aus und für einige Tage bei der Arbeit. Solche Szenarien sind in der sportbegeisterten Schweiz keine Seltenheit. Allein im Fussball erleiden jährlich rund 45’000 Personen Sportverletzungen.
Die aktuelle Situation: Sportvereine unterstehen dem Unfallversicherungsgesetz
Gemäss dem Unfallversicherungsgesetz (UVG) müssen alle Arbeitnehmenden in der Schweiz gegen Unfälle versichert werden. Dies gilt entsprechend auch für Breitensportvereine, die Trainer:innen, Sportler:innen oder andere Personen für ihre Arbeit entschädigen. Unfälle von Personen, die Sport nur als Hobby und ohne Entschädigung betreiben oder ehrenamtlich in einer Funktion tätig sind, werden als Nichtberufsunfall (NBU) qualifiziert und durch das UVG ihres Arbeitgebers versichert.
Viele Trainer:innen und auch einige Sportler:innen sowie Funktionäre erzielen mit ihrer Vereinstätigkeit jedoch einen (oftmals geringen) Nebenerwerb. Damit werden sie zu Angestellten, was bedeutet, dass Unfälle nicht mehr als NBU eingestuft werden können, und der Verein eine Unfallversicherung für sie abschliessen muss.
Das Problem: Sportvereine finden oft keine Unfallversicherer und die Prämien sind praktisch nicht finanzierbar
Wegen des grossen Unfallrisikos und der hohen Kosten bei einem Unfall, haben viele Versicherer Angst, sich bei Sportvereinen die Finger zu verbrennen. Sie müssen nämlich nicht nur die Heilungskosten der versicherten Person übernehmen, sondern auch dessen gesamten Verdienst beim Sportverein und allfälligen anderen Arbeitgebern.
Für die Sportvereine ist die Suche nach einem Unfallversicherer daher oftmals schwierig. Wenn die Vereine dreimal abgelehnt worden sind, werden sie einem Unfallversicherer von der Ersatzkasse UVG zugewiesen. Doch die Prämien sind für viele Vereine kaum zu bezahlen. Dasselbe ist der Fall, wenn sie selbstständig einen Unfallversicherer finden.
Die (vermeintliche) Lösung des Bundesrats
In der Politik hat das Problem zwar Gehör gefunden, eine praxistaugliche Lösung wurde allerdings nicht präsentiert. Um Breitensportvereine finanziell zu entlasten, hat der Bundesrat eine Änderung der Verordnung über die Unfallversicherung bekanntgegeben. Ab dem 1. Juli 2024 sind Sportler:innen und Trainer:innen, welche im Jahr weniger als zwei Drittel des Mindestbetrags der vollen jährlichen AHV-Altersrente verdienen (also weniger als 9’800 Franken im Jahr 2023), nicht mehr UVG-pflichtig. Dadurch sollen insbesondere die kleineren Sportvereine finanziell entlastet werden.
Der Haken: Sobald der jährliche Lohn von 9’800 Franken bei einem:r Trainer:in oder Spieler:in überschritten wird, müssen alle weiteren Personen, die der Verein entschädigt, auch gegen Unfälle versichert werden. Das heisst, dass keine Spieler:innen oder Trainer:innen im Verein mehr als 9’800 Franken im Jahr verdienen können, ohne dass alle anderen bezahlten Personen – und sei es auch nur für einen symbolischen Betrag – versichert werden müssen.
Keine wirkliche Entlastung für die Breitensportvereine
Doch wie oft ist es in der Praxis wirklich der Fall, dass kein:e Trainer:in oder Spieler:in weniger als 9’800 Franken im Jahr verdient? Selbst der Fussballtrainer eines lokalen 3. Liga Teams dürfte durch seine Vereinstätigkeit über 10’000 Franken im Jahr verdienen. Vom neuen Unfallversicherungsgesetz profitieren also nur die wenigsten Vereine. Viele Vereine werden weiterhin Mühe haben, ihren Betrieb zu professionalisieren – insbesondere in Zeiten, in denen es schwierig ist, Ehrenamtliche zu rekrutieren. Das ist nicht nur ein Problem für die Vereine, sondern für den gesamten Breitensport.
Fazit: Die Suche nach praktikablen Lösungen geht weiter
Die Gesetzesänderung des Bundesrats entlastet die Breitensportvereine nur teilweise. Für den Breitensport und die Vereine als wichtige Institutionen für unseren Sport und die Gesellschaft, wäre es wünschenswert, wenn die Versicherer hier praktikable und sinnvolle Lösungen anbieten.