BVG-Reform in weiter Ferne – die wichtigsten Vorschläge im Vergleich
Die Politik ist von einer erfolgreichen und sinnvollen Reform der Beruflichen Vorsorge weit entfernt, wie ein Vergleich der aktuellen Vernehmlassungsvorlage mit alternativen Vorschlägen zeigt. Somit liegt es weiterhin in der Verantwortung der Arbeitgeber, innerhalb der geltenden Bedingungen sinnvolle Lösungen für ihre Mitarbeitenden zu finden.
Nach dem Scheitern der Altersvorsorge 2020 trennte Bundesrat Alain Berset die Reform in verdaubarere Happen auf: AHV und Berufliche Vorsorge sollten fortan separat voneinander saniert werden.
AHV21: Schritt für Schritt zum rettenden Ufer
Derzeit auf Kurs befindet sich der nächste Teilschritt zur Reform der AHV. Die „AHV21“ sieht als Kernpunkte eine Erhöhung des Frauen-Rentenalters auf 65, eine Flexibilisierung des Rentenbezugs sowie eine Mehrwertsteuer-Erhöhung von 0,7% vor, um die Finanzierung der AHV bis ins Jahr 2030 zu sichern. Die Reform ist momentan bei der Kommission für Soziales und Gesundheit des Ständerats (SGK-S) in Beratung. Planmässig sollte die Reform 2022 in Kraft treten. Die Erhöhung des Frauen-Rentenalters dürfte jedoch noch für viel Gegenwind sorgen.
BVG-Reform: ein Kompromiss ohne Zukunft
Für die Reform der Beruflichen Vorsorge spielte Bundesrat Alain Berset den Ball an die Sozialpartner weiter, welche aufgefordert wurden „Vorstellungen zu entwickeln“. Dabei kam es zu einem seltenen Schulterschluss: Arbeitgeberverband, Gewerkschaftsbund sowie Travail.Suisse erarbeiteten gemeinsam einen Vorschlag respektive einen Kompromiss. Dieser sieht eine Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6%, eine Halbierung des Koordinationsabzugs sowie für künftige Rentenbezüger einen solidarisch finanzierten Rentenzuschlag pro Kopf als Fixbetrag vor. Finanziert wird dieser Rentenzuschlag, der als Übergangslösung für 15 Jahre vorgesehen ist, durch einen Lohnbeitrag von 0,5% auf dem AHV-Lohn.
Dieses halbe Umverteilungsprozent sorgte unmittelbar nach Bekanntgabe des Vorschlags für zahlreiche kritische Reaktionen. Einerseits weil die auf dem Kapitaldeckungsverfahren beruhende zweite Säule ein dem Umlageprinzip-gleichendes Element erhalten würde, wie man es von der AHV kennt. Andererseits weil alle Rentner Anspruch auf den Zuschlag hätten, auch diejenigen, welche nicht darauf angewiesen sind. Abgesehen vom Argument, dass bereits heute eine Umverteilung stattfindet, gab es bislang kaum Zuspruch für diese Idee. Zumal es das Ziel einer Reform sein sollte, genau diese Umverteilung, welche heute in der zweiten Säule erfolgt, in Zukunft zu verhindern.
Trotz dieser Kritik schickte der Bundesrat eine Vorlage, welche im Kern auf dem Sozialpartner-Kompromiss basiert, in die Vernehmlassung. Aufgrund des eingebauten Umverteilungselements dürfte die Vorlage in dieser Form kaum eine Chance im Parlament haben.
Die Alternativen im Vergleich
Entsprechend erhalten alternative Vorschläge, welche von anderen Organisationen erarbeitet wurden, wieder mehr Relevanz. Parallel zu den Sozialpartnern legte der Gewerbeverband einen eigenen Plan vor. Ebenso präsentierte der Schweizerische Pensionskassenverband ASIP ein Reformpaket fürs BVG, und weitere Interessenvertreter sowie Parteien bezogen mit Vorschlägen und Initiativen Stellung.
Der Kompromiss der Sozialpartner („SoKo“) sowie die Modelle der ASIP und des Gewerbeverbands gelten als aussichtsreichste Reformpakete. Einigkeit besteht bei ihnen darin, dass der Umwandlungssatz, die Altersgutschriften und der Koordinationsabzug an die heutige Situation angepasst werden müssen. Bei der Ausgestaltung dieser entscheidenden Parameter gibt es zwischen den drei Vorschlägen jedoch deutliche Unterschiede.
Weil der Sozialpartner-Kompromiss an den Finanzierungsproblemen der Pensionskassen kaum etwas ändern dürfte und aufgrund des Umverteilungsaspekts wenig Unterstützung findet, und weil die Vorschläge der Pensionskassen sowie des Gewerbeverbands aufgrund der Kosten für die Arbeitnehmenden vor dem Volk wenig Chancen hätten, ist eine BVG-Reform auch zweieinhalb Jahre nach der Altersvorsorge 2020 in weiter Ferne.
Rentensplitting als Lösung?
Einen alternativen Weg schlägt die Dr. Martin Wechsler AG vor. Wie bei der AHV sollen die Renten von Ehepaaren auch im BVG gesplittet werden. Zum Zeitpunkt der ersten Pensionierung eines Ehepartners würde ein Vorsorgeausgleich geschehen, wie dies heute bei einer Scheidung der Fall ist – das angesparte Altersguthaben der beiden Ehepartner wird gesplittet. Durch den Rentenausgleich zwischen den Geschlechtern wäre eine Abschaffung der Hinterlassenenrenten im Rentenalter möglich, sowie gemäss den Berechnungen die Beibehaltung des Umwandlungssatzes bei 6,8%, ohne die Altersgutschriften zu erhöhen.
Arbeitgeber in der Verantwortung
Vorderhand liegt es weiterhin an den Arbeitgebern, ihre Berufliche Vorsorge so auszugestalten, dass ihre Mitarbeitenden fürs Alter gut abgesichert sind. Mögliche Ansätze dafür sind:
- Festlegung des Koordinationsabzugs im Verhältnis zum Beschäftigungsgrad
- Erhöhung der Altersgutschriften über das gesetzliche Minimum
- Versicherung des überobligatorischen Lohns
- Reduktion der BVG-Eintrittsschwelle (gesetzlich bei CHF 21‘330)
Denn auch innerhalb der geltenden Gesetze gibt es Spielraum, um die Angestellten in der Vorsorge besser zu stellen.