Teilrevision VVG per 1. Januar 2022: Was ändert sich?

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Zum Jahresbeginn 2022 tritt das revidierte Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in Kraft. Es gilt grundsätzlich für Verträge, die ab dem 1. Januar 2022 abgeschlossen werden. Jedoch gelten einzelne Bestimmungen auch für alle bereits bestehenden Verträge (siehe die entsprechenden Bemerkungen).

Überblick zu den wichtigsten Änderungen und Auswirkungen

Haftpflichtversicherung

Geschädigte und deren Versicherer können neu ihre Forderungen direkt bei der jeweiligen Versicherung der haftbaren Person geltend machen (direktes Forderungsrecht).

Der Ausschluss von Regressforderungen aus der Deckung ist nicht mehr erlaubt (zwingende Regressdeckung).

Elektronischer Geschäftsverkehr

Der Abschluss von Versicherungsverträgen, aber auch die Kündigung, sind in einer vereinfachten Form möglich. Es ist keine eigenhändige Unterschrift («Schriftlichkeit») mehr notwendig – ein «Nachweis durch Text», zum Beispiel in einer E-Mail, genügt. Damit wird bezweckt, den elektronischen Geschäftsverkehr zu vereinfachen.

Diese Regelung gilt auch für Verträge, welche vor dem 1. Januar 2022 abgeschlossen wurden.

Widerrufsrecht

Die Versicherungsnehmer können neu innerhalb der ersten 14 Tage ab Antragseinreichung vom Vertrag zurückgetreten – ohne Angabe von Gründen.

Kündigungsrecht

Alle Versicherungsverträge (Nicht-Leben) können ab dem dritten Jahr unter Einhaltung der Kündigungsfirst beendet werden, auch wenn eine längere Laufzeit vereinbart wurde. Ausgenommen davon sind Zusatzversicherungen bei Krankenversicherungen sowie Lebensversicherungsverträge. Ausnahmen sind ebenfalls bei Projektversicherungen möglich.

Diese Regelung gilt auch für Verträge, welche vor dem 1. Januar 2022 abgeschlossen wurden.

Gefahrminderung

Für den Fall, dass die Gefahr für versicherte Risiken während der Vertragslaufzeit sinkt, kann der Versicherungsvertrag mit einer Frist von vier Wochen gekündigt oder eine Prämienreduktion verlangt werden.

Kündigungsverbot für Krankenversicherer im Schadenfall

Der Krankenversicherer darf nach einem Schadenfall nicht mehr kündigen. Dieses Recht steht künftig einzig den Versicherten zu.

Verlängerung der Verjährungsfrist

Die Versicherten können ihren Anspruch bis zu fünf Jahre nach dem Eintritt des Ereignisses, welches die Leistungspflicht begründet (zum Beispiel den Bruch einer Glasscheibe), geltend machen.

Einschätzungen der Intermakler AG

Die VVG-Teilrevision macht Versicherungsverträge eindeutig konsumentenfreundlicher und flexibler.

Die Anpassung des VVG an die Digitalisierung erleichtert den (elektronischen) Geschäftsverkehr und regelt die aktuell bestehenden Rechtsunsicherheiten. Der E-Commerce wird über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg ermöglicht.

Das direkte Forderungsrecht auf die Haftpflichtversicherer – bisher nur in der Motorfahrzeughaftpflichtversicherung bekannt – wird sich in der Praxis zuerst noch einstellen müssen. Rechtsunsicherheit besteht, weil auch ausländische Gerichte Regresse auf Schweizer Versicherer ermöglichen können.

Für die Haftpflichtversicherer ergibt die Regressmöglichkeit eine Zunahme der Schadenfälle und ein Mehraufwand. Dies kann eine Verteuerung der Haftpflichtversicherungen nach sich ziehen. Im Gegenzug werden sich die Sozial-, Personen- und Sachversicherer durch die Regresse etwas entlasten können. Im Endeffekt wird die Schadenbelastung bei insgesamt mehr Aufwand (Regresse) verursachergerechter aufgeteilt.